Bundesgeschichte

Wiesenbau und Wiesenbauschule Schleusingen

Das vom Menschen zumeist künstlich geschaffene Ökosystem Wiese erfuhr insbesondere in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Preußen große Aufmerksamkeit. Seither wurden Wiesen als landwirtschaftliches Grünland vor allem zur Erzeugung von Heu genutzt. Der im 19. Jahrhundert zunehmenden Überbeanspruchung wurde in Preußen durch einheitliche Regelungen, wie dem Wassergesetz von 1843, aber auch durch eine generelle Hinwendung zu neuen, technischen Methoden im so genannten Wiesen- und Kulturbau begegnet. Die bisher praktisch ausgebildeten Wiesenbauer wurden ab der Mitte des 19. Jahrhunderts an drei Wiesenbauschulen im Wiesen- und Kulturbau ausgebildet. Die erste der drei Schulen wurde bereits 1853 in Siegen gegründet. Am 8. Januar 1854 folgte die Gründung der Wiesenbauschule Suderburg, bevor am 15. Oktober 1897 die Wiesenbauschule in Schleusingen als Lehranstalt der Landwirtschaftskammer für die Provinz Sachsen gegründet wurde.

Gründnung der Prata

Am 8. November 1901 fanden sich die Schüler der Wiesenbauschule zusammen, um den Schülerverein Prata zu gründen. Der Name Prata rührt vom lateinischen Wort für „Wiese“, dem wesentlichen Gegenstand ihrer Beschäftigung an der Schule, her. Mit der Gründung des Vereins konnten selbständig grundlegende Elemente der (selbst-)Verwaltung geschaffen, sowie grundsätzliche wirtschaftliche Bedürfnisse in Fragen der Selbstversorgung befriedigt werden. Zudem fanden kulturelle Angebote, Weiterbildungen, gegenseitige Hilfe im Studium und geselliges Zusammensein im Rahmen des Schülervereins statt.

Aktive

Kulturtechnische Verbindung

Wie das junge Studienfach selbst, so entwickelte sich die Prata ebenfalls weiter. Am 19.Dezember 1907 wurden wesentliche farbstudentische Elemente, wie beispielsweise das rot-weiß-grüne Burschenband eingeführt. Bis spätestens 1912, wo die Einführung des weiß-grünen Fuxenbandes belegt ist, führten die Studenten ein Wappen, Zirkel sowie weitere farbstudentische Elemente (Couleur) als äußere Zeichen ihres Bundes ein. Da viele der Studenten in Privathaushalten des Ortes untergebracht sind, wird die Prata auch für das Direktorium ein wichtiges Element der Studentenselbstverwaltung und der Organisation des Gemeinschaftslebens außerhalb der Lehrveranstaltungen, so ist auch für den 25. November 1911 die Ehrenmitgliedschaft des damaligen Direktors Dr. Stein in der Prata aktenkundig. Für den 12. April des Jahres 1931 ist die Gründung des Kasseler Vertreter-Convents (KVC) belegt, bei der die Kulturtechnische Verbindung (K.T.V.) Prata Schleusingen bis zu ihrer Auflösung und der des Dachverbandes 1935 Mitglied war.

Durch die Organisation der Studentenverbindungen der drei preußischen Wiesenbauschulen im Kasseler Vertreter Convent, konnte ein breiter Wissensaustausch und gegenseitige Unterstützung zwischen den Studenten der jeweils ca. 300 km entfernten Höheren Fachschulen ermöglicht werden. Wenige Jahre später sahen sich die Studenten der Prata, wie auch die ihrer Schwesterverbindungen im KVC, gezwungen, unter dem starken Druck der nationalsozialistischen Gleichschaltungspolitik, ihre Verbindung aufzulösen.

Nachkriegszeit und Reaktivierung

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und mit der Befreiung Schleusingens durch US-amerikanische Truppen gingen leider auch die bis dahin aufgehobenen bzw. versteckten Couleurgegenstände und Dokumente der Verbindung verloren. Zudem waren viele der Pratenser und der Alten Herren der Verbindung durch die Wirren des Krieges in alle Winde verstreut, in Kriegsgefangenschaft oder gargefallen. Aufgrund des Verbotes korporationsstudentischer Aktivitäten in der Sowjetischen Besatzungszone und in der DDR, war an eine Reaktivierung der Prata nicht zu denken. Wie heute bekannt ist, gab es erst ab den 1960er und 1970er Jahren wenige illegale Gründungen von Studentenverbindungen in der DDR. Ebenfalls in dieser Zeit wurde die Alma Mater der Pratenser 1956 als  Ingenieurschule für Bauwesen und Wasserwirtschaft nach Magdeburg verlegt wo sie heute als Fachhochschule Magdeburg Stendal weiter existiert. Vorerst war jedoch jede Anknüpfung an die farbstudentische Tradition der Schule  ausgeschlossen. Jedoch fanden sich in der Bundesrepublik Deutschland ehemalige Schleusinger Absolventen zur „Altherren-Vereinigung Schleusingen in Coburg“ zusammen. Diesen Ort wählten sie, um sich alljährlich zu treffen und, wie mündlich überliefert wurde, um von Coburg aus auf das 30 km entfernte Schleusingen blicken zu können.

Nach dem Fall der Berliner Mauer fanden sich Studenten der Ingenieurschule zueinander, die durch Kontakte zu anderen Verbindungen ein Interesse am Korporationswesen gefunden hatten. Insbesondere durch die Burschenschaft Erica zu Suderburg erfuhren sie von der Geschichte der „KTV Prata-Schleusingen im KVC“. Beseelt von der “eigenen“ Geschichte und vor dem Hintergrund der sich gerade vollziehenden Deutschen Einheit, beschlossen sie Kontakt mit den noch lebenden Altherren der Prata aufzunehmen, um mit ihrer Zustimmung diese zu reaktivieren. Am 3. Oktober 1990 wurde die Prata schließlich an der Fakultät für Wasserwirtschaft der FH Magdeburg, im heutigen Landtag von Sachsen-Anhalt, unter dem Namen „Burschenschaft Prata-Schleusingen zu Magdeburg“ reaktiviert. Ein Jahr nach der Reaktivierung wurde die Prata hospitierendes Mitglied des Bundes Deutscher Ingenieur-Corporationen (BDIC), bevor sie 1997 Vollmitglied wurde.

Am 3.Oktober 2001 feierten die Pratenser an ihrem Stiftungsort Schleusingen das 100. Stiftungsfest und konnten im Oktober 2010 den 20. Jahrestag ihrer Reaktivierung sowie ein Jahr später das 110. Stiftungsfest in Magdeburg feiern. Im Oktober 2010 beschloss die Prata den Austritt aus dem BDIC, der zum Ende des Jahres 2011 wirksam wurde. Fortan wird sie als dachverbandsfreie Burschenschaft bestehen.

P11_Jut